Neurodermitis ist nicht gleich Neurodermitis
Die Krankheitsbezeichnung an sich sagt noch nichts über die Schwere der Erkrankung aus. Das Spektrum reicht von leichten Hautrötungen bis zu schweren, nässenden, stark juckenden Ekzemen. Daher gibt es auch unterschiedliche Therapieformen. Wir haben sie im Überblick für dich zusammengefasst!
Häufig tritt Neurodermitis erstmals in früher Kindheit auf. Bis zu 5% der Erwachsenen leben mit der chronisch entzündlichen Hauterkrankung ein Leben lang. Neurodermitis ist nicht gleich Neurodermitis, es ist eine chronische Hauterkrankung mit vielen verschiedenen Ausprägungen - verschiedene Schweregrade und Verläufe. Fast alle Patienten leiden unter quälendem Juckreiz, der zu psychischem Stress und Schlafmangel führen kann.
Hautwissen
Woher stammt der Begriff "Neurodermitis"?
Der Begriff Neurodermitis ist veraltet und eigentlich auch falsch. Er stammt aus einer Zeit, als man dachte, bei Neurodermitis sei eine Nervenerkrankung (Neuro = Nerven) und die Ursache der Hautentzündung (Haut = Derma - itis = Entzündung). Dennoch ist die Bezeichnung „Neurodermitis“ im täglichen Sprachgebrauch verankert. Mediziner verwenden heute den Begriff „Atopische Dermatitis“. Er setzt sich zusammen aus Atopie (= anlagebedingte Bereitschaft, gegen bestimmte äußere Substanzen ohne klar ersichtlichen Grund überempfindlich zu reagieren) und Dermatitis (= Ekzem).
Wie äußert sich Neurodermitis
Atopische Dermatitis (Neurodermitis) tritt in Schüben auf, akute Schübe wechseln sich mit schubfreien Phasen ab. Starker Juckreiz und Ekzeme, besonders in Ellbogen- und Kniebeugen, an Händen und Füßen sowie im Gesicht und Hals sind die charakteristischen Anzeichen der Erkrankung. Sie treten auf, weil die die Barrierefunktion der Haut, einerseits durch erbliche Faktoren, aber auch durch „Auslöser“ und „Verstärker" nicht einwandfrei funktioniert.
Was löst einen Schub aus?
Auslöser (Trigger) bei Neurodermitis
- Allergene Substanzen, die eingeatmet werden, wie z.B. der Kot von Hausstaubmilben, Pollen, Katzenhaare
- Mechanische und chemische Hautreizungen wie kratzige Wolle oder synthetische Fasern, scharfe Seifen, Schweiß, Tabakrauch
- Dauernde Feuchtigkeit, die die Haut belastet (z. B. in Großküchen oder in einer Wäscherei)
- Nahrungsmittel mit allergieauslösenden Stoffen wie Milch, Ei, Soja, Nüsse, Weizen, Fisch, Nüsse und rohes Obst
- Infektionen durch Pilze, Bakterien oder Viren
- Wetterbedingungen wie Hitze oder Kälte
- Stress, Konflikte und psychische Aufregungen/Belastung
Wodurch entsteht Neurodermitis?
Die Veranlagung zu Neurodermitis kann vererbt werden. Viele Betroffene versuchen, die Auslösefaktoren weitgehend zu vermeiden, das ist auch gut so. Doch die eigentlichen Ursachen von Neurodermitis liegen in einem fehlgeleiteten Immunsystem und einer defekten Hautbarriere. Als systemische Erkrankung betrifft Neurodermitis das gesamte Organsystem und nicht allein die Haut. Die Entzündungsprozesse spielen sich unter der Haut ab.
Klassifizierung der Neurodermitis
Je nach Ausdehnung des Ekzems und Stärke des Juckreizes unterteilen Dermatologen die Neurodermitis in Schweregrade. Dazu verwenden sie den sogenannten SCORAD-Index (SCORAD = Score of Atopic Dermatitis). Mit Hilfe eines spezifischen Punktesystems, das Ausbreitung und Intensität der Krankheitssymptome erfasst, wird der Schweregrad der Erkrankung objektiv eingeteil. Die wichtigsten Symptome (Leitsymptome) der Neurodermitis sind die extrem trockene Haut, der Juckreiz und die Hautrötung. Je nach Schweregrad dieser teilt man Neurodermitis in vier (manchmal auch nur in drei) Schweregrade ein.
Sehr trockene Haut – Stufe 1
Um sie zu pflegen kommen fett-und feuchtigkeitsspende Cremen zum Einsatz. Außerdem soll der Patient nach Möglichkeit Trigger (Auslöser) vermeiden. Bei der Stufe 1 ist der Übergang zwischen Trockenheit und leichter Neurodermitis oft nicht klar zu trennen.
Leichte Neurodermitis – Stufe 2
Betroffenen Körperstellen zeigen eine vorübergehende leichte Rötung mit leichtem Juckreiz an. Charakteristisch ist extrem trockenen, schuppige, leicht reizbare Haut. Die Behandlung erfolgt wie bei Stufe 1, außerdem werden eventuell schwache Glukokortikoide (Kortison) und Calcineurinhemmer (Tacrolimus, Pimecrolimus) verwendet.
Mittelschwere Neurodermitis – Stufe 3
Von mittelschwerer Neurodermitis spricht man bei stärkeren Rötungen und ausgeprägtem Juckreiz. Knotige, rötliche Verdickungen der Haut, genannt Papeln, können vorhanden sein, die einem allergischen Ausschlag ähnlich sind. Als Basistherapie muss ausgiebig eingecremt werden, zusätzlich kommen stärkere Glukokortikoiden zur Verwendung.
Um die zugrunde liegende Entzündung zu eliminieren gibt es neue systemische Behandlungen. Diese modernen Therapien in Spritzen oder Tablettenform - Monoklonalen Antiköper (Biologika) und JAK-Inhibitoren - führen auch bei schweren Neurodermitis-Verläufen zu einer deutlichen und schnellen Juckreizlinderung. Ein erscheinungsfreies Hautbild ist mittlerweile möglich!
Mein Weg zur Hautgesundheit
Nach über 40 Jahren mit Neurodermitis habe ich heute mit dem richtigen Therapie-Mix endlich zu einem beschwerdefreien, glücklichen Leben gefunden. Es war ein steiniger und tränenreicher Weg, der nicht nur mein Privat- sondern ganz besonders auch mein Berufsleben geprägt hat: Mit der Gründung des Onlinemagazins hautinfo.at habe ich eine Anlaufstelle für alle Fragen rund um Hauterkrankungen geschaffen – mein Beitrag zu verlässlicher und glaubwürdiger Information für Betroffene.
Schwere Neurodermitis - Stufe 4
Dies ist die schwerste Form von Neurodermitis mit sehr stark gereizten, hochroten und nässenden Ekzemen, die Krusten bilden und nur schwer abheilen. Zahlreiche Papeln und Pusteln, intensive Kratzspuren durch starken Juckreiz und entzündliche Areale finden sich auf der Haut. Hier kommen die Therapieoptionen der Stufen 2 und 3 infrage sowie darüber hinaus weitere Substanzen, die das Immunsystem beeinflussen.
Das sagt der hautinfo.at-Experte
Die Übergänge der einzelnen Schweregrade von Neurodermitis sind fließend – genauso wie auch die Belastung durch die Krankheit von Mensch zu Mensch unterschiedlich empfunden wird. Am besten kann man die Neurodermitis in einem ganz frühen Stadium beeinflussen, durch die konsequente Hautpflege mit dem täglichen Bad, dem sorgfältigen Eincremen mit hochwertigen Pflegeprodukten und dem Vermeiden von äußeren Reizen. Für alle Stadien der Neurodermitis gibt es mittlerweile aber sehr gut wirksame Medikamente, die in den allermeisten Fällen auch den gewünschten Therapieerfolg bringen.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Norbert Sepp ist Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Innsbruck
Ist Neurodermitis heilbar?
Nein, aber auch wenn Neurodermitis noch nicht heilbar ist, gab es in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Behandlung. Das Behandlungsportfolio wird immer größer, es stehen mehr Präparate zur Verfügung, was gut für den Patienten ist. Die Medikamente haben unterschiedliche Wirkungsweisen und werden unterschiedlich verabreicht. Die Therapieentscheidung liegt beim Arzt gemeinsam mit dem Patienten, die Auswahl hängt von der individuellen Lebenssituation, Beruf, Alltag, Kinderwunsch etc. ab.
Unser Appell an Betroffene: Nimm nicht in Kauf, wenn es dir schlecht geht, sondern fordere gezielt Hilfe bei deinem Hautarzt.
Hautarzt Finder
Finde rasch und bequem den richtigen Spezialisten
Alle Therapiemöglichkeiten im Überblick
Zur Standard-Therapie zählen Salben, Cremes und Emulsionen, die den Juckreiz stillen und der trockenen Haut das notwendige Fett bzw. die Feuchtigkeit zuführen. Es gibt eine Vielzahl an Präparaten – oft musst du erst ausprobieren, welches für dich am besten geeignet ist. Ergänzend je nach Schweregrad der Erkrankung werden Salben mit Kortikosteroiden (Cortison) und Calcineurinhemmern (Tacrolimus, Pimecrolimus) eingesetzt, die entzündungshemmend wirken.
Zusätzlich kommen Medikamente zum Einsatz, die gegen Bakterien, Viren oder Pilze wirksam sind (antibakterielle, desinfizierende und antimykotische Salben).
Antihistaminika (gegen Allergien) in Tabletten-, Salben-, oder Gelform (nicht bei offener Haut) können den Juckreiz lindern.
UV-Bestrahlung (Phototherapie) kann helfen, wobei nicht alle Neurodermitis-Patienten diese Behandlung gut vertragen.
Eine weitere Therapieoption ist die Spezifische Immuntherapie (SIT). Sie hilft Patienten, die auch Asthma oder Heuschnupfen haben.
Für sehr schwere Fälle können auch Tabletten oder Spritzen verschrieben werden (z.B. Cyclosporin, Interferon), die das Immunsystem beeinflussen (immunmodulierende Substanzen). Hier ist die Nebenwirkungsrate sehr hoch, daher dürfen diese Medikamente nur zeitlich begrenzt eingesetzt werden.
Neue systemische Medikamente
Neue systemsisch wirkende Präparate (Biologika und JAK-Inhibitoren) sind die neueste Errungenschaft der Medizin gegen immunologische Erkrankungen wie Neurodermitis. Sie werden dort eingesetzt, wo herkömmliche Medikamente zu geringe Wirkung zeigen. Diese zielen darauf ab, die überschießende Reaktion des Immunsystems zu bremsen, sie darf aber die Abwehrkräfte nicht negativ beeinflussen. Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich Wissenschaftler ein Beispiel an der Natur genommen. In der Natur übernehmen nämlich Antikörper diese Aufgabe. Antikörper sind große Proteine (Eiweißstoffe), die sich an bestimmte Strukturen anheften und sie unschädlich machen können. Diese Eigenschaft nützen Natur und Medizin im Einsatz gegen Krankheitserreger (z. B. auch beim Impfen). Um Erkrankungen wie Neurodermitis erfolgreich zu behandeln, haben Wissenschaftler Antikörper nun künstlich nachgebaut. Diese Antikörper wirken sehr zielgerichtet, ohne andere Abläufe des Immunsystems zu stören.
Infos zum Beitrag
Autor:
Mag. (FH) Margit Wickhoff
Experte:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Norbert Sepp
Quellenangabe: https://www.minimed.at; https://www.neurodermitis-hautwissen.de; www.awmf.org
Letzte Aktualisierung: 11. Juli 2022