Neurodermitis: Das sind die neuen Behandlungsmöglichkeiten
- Neurodermitis ist nicht gleich Neurodermitis
- Leichte Neurodermitis: Trockene Haut
- Leichte Neurodermitis: Schübe und leichte Ekzeme
- Mittelschwere oder schwere Neurodermitis: zeitweilig stärker ausgeprägte Ekzeme
- Mittelschwere oder schwere Neurodermitis: anhaltend stärker ausgeprägte Ekzeme
- Moderne Systemtherapien für mäßig bis schwere Neurodermitis
- Januskinase (JAK)-Hemmer
- Biologika
- Sprich mit deinem Hautarzt über deine Erwartungen und Ziele!
- Der Experte: Dr. Martin Zikeli
Deine Neurodermitis-Erkrankung ist in der letzten Zeit zum ersten Mal aufgetreten oder schlimmer geworden, die Schübe sind heftiger und häufiger und du bist unsicher, wie es jetzt weitergehen soll? Gemeinsam mit Dr. Martin Zikeli, Oberarzt an der Abteilung für Dermatologie am Landesklinikum Wiener Neustadt, bringen wir dich bezüglich der neuen Behandlungsmöglichkeiten auf den letzten Stand.
Neurodermitis ist nicht gleich Neurodermitis
Bei Neurodermitis gibt es vielfältige Ausprägungsformen und Schweregrade. Sie reichen von zeitweise auftretenden leicht juckenden Hautrötungen bis hin zu schweren Ekzemen mit Ausbildung von Wunden und massiver Einschränkung der Lebensqualität.
Eines gilt für alle Ausprägungen: Diese chronisch-entzündliche Hauterkrankung mit Ekzemen, Juckreiz sowie gestörter Hautbarriere verläuft in wiederkehrenden Schüben. Neurodermitis ist zwar nicht heilbar, aber sehr gut behandelbar. Symptomfreiheit ist durch innovative Medikamente mittlerweile durchaus möglich.
Leichte Neurodermitis: Trockene Haut
Leichte Neurodermitis wird mit einer Basistherapie behandelt. Die überwiegend sehr trockene Haut muss zweimal täglich mit rückfettenden und feuchtigkeitsspendenden Cremen und Lotionen eingecremt werden. Zur Hautreinigung verwendest du am besten seifenfreie Produkte und lauwarmes (kein heißes) Wasser. Danach rubbelst du dich nicht trocken, sondern tupfst dich mit einem weichen Handtuch ab. In der Apotheke findest du eine große Anzahl von Pflegeprodukten für die Neurodermitis-Haut. Die Basispflege ist für alle Patienten sehr wichtig, egal, ob sie gerade einen Schub haben, oder ob keine Symptome zu erkennen sind.
Leichte Neurodermitis: Schübe und leichte Ekzeme
Im akuten Schub, wenn Entzündungssymptome und starker Juckreiz vorherrschen, werden meist kortisonhaltige Cremen und Salben in unterschiedlicher Konzentration verordnet, die bis zum Abklingen der Entzündungen verwendet und dann langsam ausgeschlichen werden. Auch Phototherapie (UV-Licht-Bestrahlungen) und Calcineurin-Inhibitoren können vielfach sehr erfolgreich sein. All diese Therapien werden äußerlich angewendet und sind bei einem leichten, unkomplizierten Verlauf sinnvoll.
Mittelschwere oder schwere Neurodermitis
Die Basistherapie mit sorgfältiger, regelmäßiger Hautpflege ist hier genauso wichtig wie bei leichter Neurodermitis. Bei mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis wird dir dein Hautarzt zudem intensivere Kortisonsalben verschreiben und eventuell zu systemisch (innerlich) wirkenden Medikamenten wechseln, wenn die äußerliche Behandlung nicht mehr ausreicht.
Anhaltend stärker ausgeprägte Ekzeme
Bringen äußerlich angewendete Therapien keine Besserung deiner Erkrankung, kommen Medikamente zum Einsatz, die das Immunsystem als Ganzes beziehungsweise nur seine überschießende Reaktion unterdrücken. Dazu zählen bisher verfügbare herkömmliche Immunsuppressiva sowie moderne Systemtherapien.
Immunsuppressiva
Zu den bisherigen systemischen Therapien zählen konventionelle Immunsuppressiva, zum Beispiel Ciclosporin, die das Immunsystem breit unterdrücken und meist mit schweren Nebenwirkungen einhergehen. Deshalb sind sie als Langzeittherapie nicht geeignet.
Moderne Systemtherapien für mäßig bis schwere Neurodermitis
Die gute Nachricht: In den letzten Jahren gab es große Fortschritte in der Entwicklung und Erforschung moderner Systemtherapien für Patienten mit einer mittelschweren bis schweren Neurodermitis. Im Gegensatz zu den konventionellen Systemtherapien greifen sie sehr gezielt in das Entzündungsgeschehen ein und unterbinden die überschüssige Immunreaktion, die für die chronische Entzündung verantwortlich ist. Dazu zählen Biologika und sogenannte Januskinase-Hemmer. Sie können zu einer sehr schnellen und deutlichen Juckreizlinderung und zu einem nahezu erscheinungsfreien Hautbild führen.
Januskinase (JAK)-Hemmer
„Kleine Moleküle“, auch „small molecules“ genannt“, sind Wirkstoffe, die direkt im Zellinneren gezielt ihre Wirksamkeit entfalten können. Zu den kleinen Molekülen zählen die Januskinase-Hemmer. Diese unterbinden die Übertragung des Signals, das in den Zellen die Produktion der entzündungsfördernden Botenstoffe auslöst.
JAK-Hemmer
Diese Substanzen werden verwendet
- Upadacitinib, zugelassen ab 12 Jahren
- Abrocitinib, zugelassen ab 18 Jahren
- Baricitinib, zugelassen ab 18 Jahren
Januskinase (JAK)-Hemmer: Das solltest du wissen
Alle Medikamente aus dieser Gruppe werden täglich einmal in Tablettenform eingenommen. Abhängig von der Schwere der Erkrankung gibt es sie in unterschiedlichen Dosierungen. Die Therapie ist daher sehr flexibel.
- Zulassung: Erwachsene ab 18 Jahren bzw. Kinder ab 2 Jahren – je nach Therapie
- Voruntersuchungen: Ausschluss von Infektionskrankheiten wie Hepatitis B und C, HIV und Tuberkulose
- Wirkung: rasche und deutliche Juckreizlinderung, bereits innerhalb weniger Tage und deutlich verbessertes Hautbild. Die maximale Wirkung ist nach 2 Monaten zu erwarten.
- Regelmäßige Blutbildkontrollen: alle 3 Monate Kontrolle von Blutbild, Leberwerten und Blutfetten
- Langzeittherapie: Januskinase-Hemmer können als Langzeittherapie zum Einsatz kommen, um die Neurodermitis dauerhaft kontrollieren zu können.
- Mögliche Nebenwirkungen (je nach Therapie): Fieberblasen, Herpes zoster (Gürtelrose), Infektionen der oberen Luftwege, Kopfschmerzen, Akne oder Übelkeit mit Durchfällen.
- Bei Patienten über 65 Jahren, die ein hohes Risiko z.B. für Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen aufweisen oder rauchen sind Januskinase-Hemmer mit Vorsicht anzuwenden.
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Einsatz bei anderen Erkrankungen (ja nach Therapie): rheumatische Erkrankungen wie z. B. Psoriasis Arthritis, rheumatoide Arthritis, ankylosierende Spondylarthritis sowie chronisch entzündliche Damerkerkrankungen wie z. B. Colitis ulcerosa und Morbus Crohn.
Biologika
Biologika sind monoklonale Antikörper, die an einen Botenstoff des Immunsystems oder an seinen Rezeptor binden. Damit verhindern sie, dass das entzündungsfördernde Signal seine Auswirkungen entfalten kann. Der restliche Teil des Immunsystems läuft unbeeinträchtigt weiter. Biologika sind biotechnologisch hergestellte Medikamente und werden in Injektionsform verabreicht. Biologika reduzieren Anzahl und Schwere der Schübe, Ekzeme und Juckreiz. Bei vielen Patienten verschwinden dadurch die Neurodermitis-Symptome.
Biologika
Aktuell kommen 2 Biologika-Wirkstoffe zum Einsatz
- Dupilumab, zugelassen ab 6 Monaten
- Tralokinumab, zugelassen ab 18 Jahren
Biologika: Das solltest du wissen
Biologika werden mittels Injektion unter die Haut in Bauch oder Oberschenkel gespritzt. Je nach Therapie wird die Injektion alle 2 oder alle 4 Wochen verabreicht.
- Zulassung: Erwachsene ab 18 Jahren, Jugendliche ab 12 Jahren bzw. Kindern ab dem 6. Lebensmonat – je nach Therapie
- Wirkung: schnelle und anhaltende Verbesserung von Juckreiz und Hautläsionen
- Langzeittherapie: Biologika können als Langzeittherapie zum Einsatz kommen, um die Neurodermitis dauerhaft kontrollieren zu können.
- Mögliche Nebenwirkungen (je nach Therapie): Augenentzündungen, Infektionen der oberen Atemwege, Lokalreaktionen an der Einstichstelle.
- Einsatz bei anderen Erkrankungen (je nach Therapie): Asthma, allergische Rhinitis, Prurigo nodularis, Eosinophile Ösophagitis
Sprich mit deinem Hautarzt über deine Erwartungen und Ziele
Wie du siehst, gibt es eine Fülle an Behandlungsmöglichkeiten für Neurodermitis. Auch wenn Neurodermitis nicht heilbar ist, gibt es Therapien, die ein beschwerdefreies Leben ermöglichen. Wichtig dafür sind regelmäßige Termine bei deinem Hautarzt. Dieser ist der Neurodermitis-Spezialist und muss dein Ansprechpartner in Bezug auf eine für dich geeignete Therapie sein.
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Der Experte: Dr. Martin Zikeli
Vielen Dank Herr Dr. Zikeli für die wertvollen Informationen.
Dr. Martin Zikeli
Facharzt für Dermatologie und Venerologie
Oberarzt im Landesklinikum Wiener Neustadt
Weitere Infos zum Experten
Unser Lesetipp
Infos zum Beitrag
Autor:
Mag. (FH) Margit Wickhoff
Experte:
Dr. Martin Zikeli
Quellenangabe: Interview mit Dr. Martin Zikeli
Stand der medizinischen Informationen: 01. April 2022
Letzte Aktualisierung: 17. Jänner 2024