
Neurodermitis: Weltweite Auswirkungen auf das tÀgliche Leben
Am 14. September ist Welt-Neurodermitis Tag: Wir wollen in der Ăffentlichkeit mehr Bewusstsein schaffen und ĂŒber die EinschrĂ€nkung der LebensqualitĂ€t von Betroffenen aufmerksam machen. Wie geht es Neurodermitis-Patienten weltweit? Was sind die tĂ€glichen Herausforderungen von Patienten in anderen LĂ€ndern?
Hautinfo.at war fĂŒr euch auf dem Internationalen Kongress Skin Global in Mailand und hat sich zu diesem Thema umgehört: Es trafen sich mehr als 30 Teilnehmer aus der ganzen Welt zur GlobalSkin Conference. Veranstaltet wird sie von der International Alliance of Dermatology Patient Organizations (IADPO), die sich zum Ziel gesetzt hat, sich fĂŒr die Verbesserung der Lebensbedingungen von Patienten weltweit einzusetzen.
Die wichtigste Botschaft der Teilnehmer, von denen selbst viele Neurodermitis-Betroffene sind: âDu bist nicht alleine!â. Die Community ist groĂ und die Sorgen und BedĂŒrfnisse sind vielfach die gleichen. Gemeinsam wurden Erfahrungen ausgetauscht und Ideen diskutiert. Ăber allem stand immer die Frage, wie es den Betroffenen tatsĂ€chlich geht, jenseits von den Hardfacts: Neurodermitis ist eine chronische Hauterkrankung mit Juckreiz, Ekzeme und trockener Haut.

WorĂŒber reden wir?
Alle Neurodermitis-Patienten berichten ĂŒber einen zum Teil immens groĂen Leidensdruck, vor allem die immer wieder kreisenden Gedanken um die schmerzende Haut machen oft ratlos. Wenn die Haut nicht richtig funktioniert, kommt es zu verschiedenen physischen und psychischen Problemstellungen:
- quÀlende Juckreizattacken
- schlaflose NĂ€chte
- private und berufliche Spannungen
- vielfache KrankenstÀnde und Angst vor Jobverlust
- mangelhafte Àrztlicher Behandlung
- Stigmatisierung und soziale Isolation
Unterschiede zwischen LĂ€ndern
Nicht in jedem Land wird die Krankheit gleich akzeptiert. Es gibt kulturelle Unterschiede von Land zu Land, z.B. wird in Asien oft vermutet, dass ein schlechtes Karma aus einem vorherigen Leben die Ursache fĂŒr die Erkrankung ist. Oft wird es als Schicksal auch einfach akzeptiert. Auch die Höhe der staatlichen UnterstĂŒtzung seitens der Krankenkassen oder anderen staatlichen Einrichtungen variiert von Land zu Land.
Die Krankheit macht aber keinen Unterschied
Die Krankheit macht aber keinen Unterschied Aber egal aus welchem Land der Patient kommt, egal welches Geschlecht oder Alter: Die Menschen mit dieser Hauterkrankung fĂŒhlen sich immer gleich. Gleich schlecht. Durch die Sichtbarkeit der Hauterkrankung kommt es immer zu einer tatsĂ€chlichen oder gefĂŒhlten Stigmatisierung. Und das bedeutet in jedem Land eine groĂe psychische und mentale Belastung.
Egal ob der Patient in Kalifornien oder SĂŒdengland lebt: schnell versucht er seine Haut zu verstecken, er isoliert sich und zieht sich vom gesellschaftlichen Leben zurĂŒck. Dieses Anders-Aussehen ist oft eine gröĂere Belastung fĂŒr die Betroffenen als die Schmerzen. Eine Spanierin erzĂ€hlte, dass sie sich sogar vor ihren Eltern geschĂ€mt hat, da reden wir noch nicht ĂŒber das GefĂŒhl, wie es sich anfĂŒhlt, seine Haut vor Freunden, Partnern, Arbeitskollegen und fremden Personen zu zeigen. Eine EnglĂ€nderin mit starken Neurodermitis-Symptome an den HĂ€nden erzĂ€hlte, wie sehr sie sich immer genierte ihre HĂ€nde zu zeigen. An der Kassa beim Bezahlen oder bei anderen Gelegenheiten in der Ăffentlichkeit. Eine Amerikanerin berichtete, dass sie oft das GefĂŒhl habe, sie sei die Einzige mit dieser Erkrankung. WĂ€hrend eines Schubes isoliert sie sich, vergrĂ€bt sich zu Hause und badet in Selbstmitleid.
Wegducken gilt nicht
Und so geht es vielen. Man versucht die Erkrankung soweit wie möglich zu verstecken, was natĂŒrlich gerade im Sommer zu einem echten Problem werden kann. Wenn es heiĂ ist und man lĂ€uft mit langen Hosen und Ărmeln rum, erntet man viele schrĂ€ge Blicke. Abgesehen davon, dass die Hitze und das damit verbundene Schwitzen fĂŒr die Haut natĂŒrlich auch nicht gut ist.
Eine AbkĂŒhlung wĂŒrde da der Besuch eines Freibades bringen, aber das trauen sich leider nur die wenigsten Neurodermitis-Patienten. Und so fĂŒhlen sich die Betroffenen als AuĂenseiter, sie isolieren sich immer mehr und trauen sich dann gar nicht mehr raus. Das kann aber nicht die Lösung fĂŒr eine lebenslange Krankheit sein!
Sie wissen es nicht besser
Hier kann nur AufklĂ€rung helfen. Denn viele Menschen wissen schlicht und einfach nicht, dass Neurodermitis nicht ansteckend ist. Daher die oft scheelen Blicke im Freibad oder an der Supermarktkassa. Und es ist menschlich, dass alles Ungewöhnliche und Fremde angestarrt wird. Um das Karussell aus Selbstmitleid und MinderwertigkeitsgefĂŒhlen zu stoppen, hilft oftmals das GesprĂ€ch.
Sag deiner Familie, deinen Freunden und auch Fremden, wie es dir geht und was du empfindest, wenn sie Körperkontakt vermeiden oder sich scheuen, dich anzuschauen. Oft kann auch eine psychologische UnterstĂŒtzung hilfreich sein. Mit einer neutralen Person zu reden und Tools an die Hand zu bekommen, sich selber besser zu akzeptieren, kann deine LebensqualitĂ€t steigern.
Das nervt
Nicht nur, dass viele nicht-Betroffene nichts ĂŒber die Krankheit wissen. Besonders nervig sind die, die glauben etwas zu wissen. Das mĂŒndet dann in vermeintlich gute RatschlĂ€ge Ă la âGelesen in der Brigitteâ, âVerwende doch Ringelblumensalbe!â oder âVielleicht musst du dich einfach mehr waschen?â. Es gibt kein Rezept, wie man mit unqualifizierten BeitrĂ€gen wie diesen umgehen sollte. Im besten Falle meinen sie es ja nur gut und reagieren dann verschnupft, wenn du nicht direkt die Wundercreme aus der Frauenzeitschrift ausprobieren willst. Oft wirst du einfach nur ĂŒber den Dingen stehen mĂŒssen und dir deinen Teil denken.
Reden wir ĂŒber Sex!

Ăber die Krankheit muss spĂ€testens dann aufgeklĂ€rt werden, wenn es zu IntimitĂ€ten kommt. Vielen Patienten fĂ€llt es nicht leicht, ĂŒber ihre erkrankte Haut zu reden und sie kaschieren sie auch ziemlich gut. Gerade in Bezug auf Sex kann Neurodermitis wahnsinnig belastend sein.
Aber spĂ€testens vor dem ersten Sex solltest du deinen Partner aufklĂ€ren, sonst kann die Reaktion verletzend ausfallen. Wer sich noch nie damit befasst hat, braucht Zeit und vor allem Informationen um Vorbehalte und Ăngste zu ĂŒberwinden. Zeig ihm oder ihr, dass die Hauterkrankung nicht ansteckend ist und nicht aufgrund von mangelnder Hygiene entstanden ist.
Interessanterweise ĂŒberschĂ€tzen Menschen mit Hauterkrankungen die ablehnende Haltung ihrer Mitmenschen ohne Hauterkrankungen immer wieder. In einer zufriedenen Partnerschaft wird die Hauterkrankung nur ein geringer Störfaktor sein.
Finanzieller Mehraufwand

An Neurodermitis zu leiden, kann ganz schön teuer sein. Das österreichische Gesundheitssystem bietet zwar sehr gute WahlĂ€rzte an, die sich auch mehr Zeit nehmen fĂŒr dich, aber die sind dann natĂŒrlich auch entsprechend teuer. KassenĂ€rzte sind qualitativ ebenso gut, haben aber deutlich weniger Zeit fĂŒr ihre Patienten. Bei einem durchschnittlichen Aufenthalt von wenigen Minuten musst du dich schon beeilen und am besten einen kleinen Spicker dabei haben, damit du alle deine Fragen auch wirklich stellen kannst.
Nicht nur, dass die Krankheit mehr finanzielle Ressourcen fordert, sie braucht auch mehr Zeit. Denn eine chronische Hauterkrankung wie Neurodermtis bedarf besonderer Hautpflege â und zwar tĂ€glich. Wenn du jeden Tag deine Haut entsprechend ihrer aktuellen BedĂŒrfnisse pflegst, kannst du einen neuen Schub hinauszögern. Am besten daher die Pflegeroutine wie das tĂ€gliche ZĂ€hneputzen in deinen Tagesablauf einbauen. Die Krankenkassen ĂŒbernehmen bestimmte Hautpflegeprodukte, die an sich nicht unbedingt schlecht sind. Es wurden in den letzten Jahren sehr viele gute HautpflegeprĂ€parate speziell fĂŒr die Neurodermitis-Haut entwickelt, diese mĂŒssen aber von den Patienten selbst bezahlt werden. Bei Familien mit geringem Haushaltseinkommen kann dies zum Teil nur schwer finanziert werden. Auch in anderen LĂ€ndern fordern viele einen besseren Zugang zu Pflegeprodukten â nicht jeder kann sich die guten Pflegecremen aus der Apotheke leisten.
FĂŒhlst du dich bei deinem behandelnden Arzt gut aufgehoben?
Wichtig fĂŒr dein Wohlbefinden ist ein guter Arzt. Auch das ist weltweit das gleiche. Du brauchst ein gutes VertrauensverhĂ€ltnis zu ihm, immerhin kann Neurodermitis auch an Ă€uĂerst intimen Stellen auftreten. Der Arzt sollte sich die Zeit nehmen, dich als Ganzes zu betrachten, denn Neurodermitis hat auch viele psychische Komponenten. Er sollte hinterfragen, welche Begleiterscheinungen es bereits gibt, welche Organe mitbehandelt werden sollten und vieles mehr.
Eine reine Behandlung der Symptome ist zu wenig. Es gibt mittlerweile sehr gute Behandlungsmöglichkeiten. Wenn du dich also nicht gut aufgehoben fĂŒhlst, dann wechsle den Arzt. Und auch wenn die letzten 10 Mal nicht den gewĂŒnschten Durchbruch gebracht haben, gib die Hoffnung nicht auf!
Berufliche Herausforderung
Wenn es wieder zu einem Schub kommt, können viele Betroffene durch den quĂ€lenden Juckreiz nur sehr schlecht schlafen. In der Konsequenz ist man am nĂ€chsten Tag nicht ausgeschlafen und dann natĂŒrlich auch nicht richtig leistungsfĂ€hig. Wer dann nicht zur Arbeit geht muss sich oft anhören, dass man wegen ein bisschen Hautausschlag doch nicht daheim bleiben muss. Wer das ein paarmal gehört hat, schleppt sich dann doch zur Arbeit, man will ja auch seinen Arbeitsplatz nicht verlieren.
Fakt ist, dass man an Juckreiz und Hautausschlag selbstverstĂ€ndlich nicht direkt stirbt. Aber die dauerhafte EinschrĂ€nkung der LebensqualitĂ€t und die fehlende KonzentrationsfĂ€higkeit zermĂŒrben einen auf die Dauer. Hier wĂ€re dringend eine AufklĂ€rung in der Ăffentlichkeit notwendig und ein verstĂ€rktes Bewusstsein auch bei den Arbeitgebern. Denn der Neurodermitis-Patient hat sich das nicht ausgesucht und wĂŒrde liebend gerne am Arbeitsplatz seinen Job tun, anstatt von Juckattacken gequĂ€lt in einem Salzbad daheim zu liegen.
Es fehlt an sozialer UnterstĂŒtzung
Die Patienten wissen zu wenig ĂŒber ihre Rechte in Bezug auf Krankstand, Krankengeld und mögliche finanzielle UnterstĂŒtzung. Ăsterreich verfĂŒgt zum GlĂŒck ĂŒber ein gutes Sozialsystem, in anderen LĂ€ndern sind Patienten oft komplett auf sich alleine gestellt. Dennoch könnte auch in Ăsterreich soziale UnterstĂŒtzung der Patienten durch die Politik noch stĂ€rker gefördert werden.

Lass dir gezielt helfen!
Auch in schwereren FĂ€llen von Neurodermitis (atopischer Dermatitis) gibt es mittlerweile wirksame und gut vertrĂ€gliche Medikamente. NĂŒtze die Chance, bei Neurodermitis Beschwerdefreiheit oder zumindest eine spĂŒrbare Verbesserung zu erlangen. Dein Dermatologe kennt die neuesten Wirkstoffe â sprich ihn beim nĂ€chsten Arztbesuch darauf an und lass dich beraten!
Information an den Patienten von Patienten
Auf dem Kongress wurde auch immer wieder der Community-Gedanke diskutiert:
- Was machen andere Betroffenen, damit es ihnen besser geht?
- Welche einfachen Tipps fĂŒr die Hautpflege gibt es?
- Welche dekorative Kosmetik kann empfohlen werden?
Zu all diese Fragen können dir BeitrÀge auf Hautinfo.at weiterhelfen. Wir sind eine starke und stetig wachsende Community, die von ihren Mitgliedern lebt.
Deine Stimme zÀhlt
Und darum möchten wir wissen, wie es dir geht. ErzĂ€hl uns deine Geschichte: wie gehtâs dir dabei, wie fĂŒhlst du dich, welche UnterstĂŒtzung wĂŒnscht du dir und von wem? Sag uns, was dir hilft. Auch kleine Tipps können anderen helfen.
"Speak with one voice": Je mehr wir sind, desto besser werden wir gehört. Gemeinsam sind wir stĂ€rker und werden nicht so leicht ĂŒberhört oder ĂŒbersehen. Und das war eine der wichtigsten Erkenntnisse dieser zwei Tage: Wir mĂŒssen die Menschen wachrĂŒtteln und nicht stillschweigend den Kopf in den Sand stecken, sondern aktiv werden. Jetzt!Wenn du anonym bleiben möchtest, schreib uns das bitte einfach dazu, dann wird dein Name natĂŒrlich nicht genannt.ErzĂ€hl uns deine Geschichte
Ăber GlobalSkin
Die Internationale Allianz der Dermatologie-Patientenorganisationen (IADPO) - auch als GlobalSkin bekannt - ist eine einzigartige globale Allianz, die sich fĂŒr die Verbesserung der Lebensbedingungen von Patienten weltweit einsetzt. Wir pflegen die Beziehungen zu Mitgliedern, Partnern und allen am Gesundheitswesen Beteiligten und bauen den Dialog mit EntscheidungstrĂ€gern auf der ganzen Welt auf, um eine patientenorientierte Gesundheitsversorgung zu fördern. Die Arbeit von GlobalSkin basiert auf drei SĂ€ulen: Forschung, FĂŒrsprache und UnterstĂŒtzung.
Unser Lesetipp
Neurodermitis auf der Kopfhaut
Juckende Kopfhaut und trockene Haare sind nicht nur unangenehm â fĂŒr viele Betroffene können sie zu einer echten Belastung werden. Besonders Menschen mit Neurodermitis leiden hĂ€ufig auch auf der Kopfhaut unter starkem Juckreiz und Ekzemen. Begleitend treten oft Reizungen, Schuppenbildung und ein unangenehmes SpannungsgefĂŒhl auf, die durch Ă€uĂere EinflĂŒsse wie WetterverĂ€nderungen, bestimmte Inhaltsstoffe in Pflegeprodukten oder Stress verstĂ€rkt werden können. In diesem Artikel erfĂ€hrst du, welche MaĂnahmen gegen die Symptome von Neurodermitis auf der Kopfhaut helfen und welche Pflegeprodukte zur Linderung beitragen können.

Infos zum Beitrag
Autor:
Mag. Karin Meinhart
Stand der medizinischen Informationen: 24. Juni 2019
Letzte Aktualisierung: 07. Februar 2024