Die Hygiene-Hypothese bei Neurodermitis: Wieviel Schmutz braucht das Immunsystem?
Alles picobello sauber bis ins kleinste Detail? Kein Staubkorn am Boden, die Schuhe bitte draußen ausziehen und nach dem Spielplatz sofort die Kleidung wechseln? Mit übertriebener Hygiene tust du dem Immunsystem deines Kindes nichts Gutes und begünstigst unter Umständen sogar das Entstehen von Allergien – das zeigen verschiedene Studien.
Die Hygiene-Hypothese in Bezug auf Atopische Erkrankungen
Die so genannte Hygienehypothese, auch Bauernhof- oder Urwaldhypothese genannt, besagt, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, deutlich seltener an Asthma, Heuschnupfen oder anderen Allergien erkranken als Kinder, die in einer anderen – vermeintlich reineren – Umgebung aufwachsen. Ebenso weiß man, dass Infektionen mit Bakterien, Pilzen oder sogar mit Würmern vor Allergien schützen.
Die Hygienehypothese macht auch deutlich, dass Einzelkinder öfter allergische Erkrankungen haben als Kinder, die mit Geschwistern aufwachsen. Besonders ältere Geschwister stärken offenbar das Immunsystem. Es scheint, dass sich das Immunsystem sich bei Geschwistern vermehrt mit Infektionserregern auseinandersetzen muss. Wachsen Kinder mit Haustieren auf, profitiert das Immunsystem auch davon.
Ab in den Kuhstall
Neueste Untersuchungen zeigen überdies, dass besonders der Kontakt mit Kühen in Kuhställen und das Trinken von unbehandelter Kuhmilch Kinder besonders vor Allergien und atopischen Erkrankungen schützen. Es scheint so, dass Schweine, Ziegen oder Schafe nicht den selben immunologischen Benefit haben wie Kühe. Im Kuhstall finden sich die wirksamsten Keime, die das Immunsystem so richtig stärken. In einer niederländischen Studie von 2018 hat sich gezeigt, dass dieser Schutzeffekt auch in einer Entfernung von ca. 500 Metern vom Kuhstall anhält. Der schützende Faktor muss sich also in der Umgebungsluft befinden.
Atopische Erkrankungen als überschießende Immunantwort
Erinnerst du dich vielleicht auch noch an den Spruch unserer Großeltern: „Ein bisserl Dreck hat noch keinem geschadet!“ Damit hatten sie nicht unrecht, denn die hygienischen Bedingungen spielen auf jeden Fall bei der Entwicklung allergischer und atopischer Erkrankungen eine wichtige Rolle: Die „Auseinandersetzung“ des kindlichen Organismus mit Schmutz und Keimen ist die nämlich die wichtigste Voraussetzung für eine normale Entwicklung des Immunsystems. So geht man davon aus, dass übertriebene Hygiene die korrekte Aktivierung des Immunsystems verhindert. Das „unterbeschäftigte“ Immunsystem bildet in einer überschießenden Reaktion daher allergische/atopische Erkrankungen aus, dazu gehören etwa Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis.
Wenn harmlose Stoffe zum Problem werden
Doch wie unterscheidet sich diese Überempfindlichkeitsreaktion des Immunsystems von einer normalen Immunantwort? Durch die Auslöser! Bei einer allergischen Erkrankung reagiert das Immunsystem nämlich auf an sich harmlose Stoffe, die man auch als Allergene bezeichnet. Diese Antigene lösen im Körper – auch in geringen Mengen – Krankheitssymptome aus. Im Gegensatz zu einem Krankheitserreger haben sie selbst aber keine direkt krankmachende Wirkung. Solche Allergene können Blütenpollen oder Rauch sein (etwa bei Asthma), aber auch mechanische Reize wie z. B. kratzige Wolle bei der Neurodermitis.
Sauber, aber nicht klinisch rein
Es steht außer Zweifel, dass ein Baby oder Kleinkind in einer sauberen Umgebung aufwachsen muss. Doch besondere Hygienemaßnahmen, wie das Desinfizieren von Händen und Flächen hat im Haushalt nur dann Sinn, wenn ein Familienmitglied an einer ansteckenden Krankheit wie zum Beispiel eine Magen-Darm-Infektion, Influenza oder ähnliches, erkrankt ist. Ansonsten reichen normale Putzmittel und warmes Wasser völlig aus.
Nur so kann das kindliche Immunsystem lernen, sich mit den unterschiedlichsten Erregern auseinanderzusetzen und seine volle Schutzfunktion für den Organismus übernehmen. Dazu musst du wissen: Auf der menschlichen Haut leben viele Bakterien, die sich unter anderem von Schweiß und Talg ernähren. Beides wird durch die Haut abgesondert. Die ausgeschiedenen Substanzen und die Bakterien bilden die sogenannte Hautflora, die vor Krankheitskeimen schützt.