Psoriasis: Immer besser behandelbar
Früher wurde bei Psoriasis an eine reine Hautkrankheit gedacht, die mit einem überschaubaren Therapiespektrum an Cremen, Salben, Kortison und/oder Lichttherapien behandelt wurde. Heute weiß man, dass Psoriasis eine Systemerkrankung ist. Abhängig von der Ausdehnung und Schwere der Erkrankung stehen heute neben konventionellen Therapien auch moderne Ansätze zur Verfügung. Im Interview gibt Dr. Hans Skvara, Oberarzt an der dermatologischen Abteilung im Landesklinikum Wiener Neustadt, einen Überblick.
Es gibt eine Vielzahl an medizinischen Neuerungen, vor allem bei systemischen Behandlungen, die innerlich wirken. Wie behält man hier noch den Überblick?
Dr. Skvara: In den vergangenen Jahren hat sich viel in der Erforschung und Entwicklung neuer Systemtherapien getan. Auch für Experten ist es nicht immer einfach, einen guten Überblick zu behalten. Jedoch sind wir sehr froh, dass uns heute diese Vielzahl an wirksamen Therapien zur Verfügung steht. Dadurch können wir die optimale Behandlung für jeden Patienten finden. Unser Wissen und unsere Erfahrungswerte geben wir auch weiter: Beispielsweise veranstalten wir am Landesklinikum Wiener Neustadt regelmäßige Netzwerktreffen mit niedergelassenen Hautärzten aus dem Umfeld, um beispielsweise über neue Entwicklungen zu informieren.
Systemtherapie: Wem nützt das?
Dr. Skvara: Für den Einsatz der Systemtherapien bei Psoriasis ist entscheidend, wo und wie schwer die Entzündung auftritt. Rötliche, schuppende Stellen an der Kopfhaut, in den Leisten, unter der Brust oder im Genitalbereich können sehr belasten. Topische Therapien mit Cremen oder Salben sowie Lichttherapien eignen sich nur bedingt für diese speziellen Körperregionen. Gleiches gilt für betroffene Nägel, Handflächen oder Fußsohlen. Patienten können nichts mehr angreifen. Jeder Schritt wird zur Qual. Eine Systemtherapie, die innerlich wirkt, kann dabei helfen, diese massiven Beschwerden wieder in den Griff zu bekommen. Setzen auch Gelenksentzündungen ein, kann Psoriasis Arthritis die Ursache sein. Um Schäden an Fingern, Knie und Gelenken zu vermeiden, werden ebenso Systemtherapien eingesetzt. Psoriasis (Arthritis) muss jedenfalls adäquat und frühzeitig vom Facharzt behandelt werden.
Systemtherapien werden nur nach sorgfältiger Abwägung verschrieben. Wie gehen Hautärzte dabei vor?
Dr. Skvara: Hautärzte verwenden verschiedene Methoden, um den Schweregrad der Psoriasis und die Belastung im Alltag zu bestimmen. Der Psoriasis Area and Severity Index, kurz PASI, ist ein wichtiges Messinstrument, um die Ausdehnung und Schwere der Psoriasis zu beurteilen. Dazu wird der Körper in Kopf, Arme, Stamm und Beine unterteilt und die Fläche der Hautveränderung bewertet. Bei der Schwere der Erkrankung bestimmt man Rötung (hellrot bis leuchtend rot), Dicke (gering bis stark) und Schuppenbildung (fein bis stark). Der PASI erfasst jedoch nicht den Juckreiz sowie die Auswirkung der Psoriasis auf das Leben. Da Psoriasis sehr individuell empfunden wird, steht mit dem Dermatology of Life Quality Index, kurz DLQI, ein weiteres wichtiges Messinstrument zur Verfügung, um die Belastung und Einschränkung im Alltag, in der Freizeit, im Arbeitsleben und in der Beziehung aufzuzeigen. Die Ergebnisse sind eine wesentliche Entscheidungsgrundlage für oder gegen eine Systemtherapie. Genauso werden Nutzen und Risiken sorgfältig abgewogen.
Im groben Überblick: Wie wird Psoriasis heute behandelt?
Dr. Skvara: Die Basispflege ist ein wichtiger Bestandteil in der Behandlung, unabhängig vom Schweregrad. Sie beinhaltet rückfettende und pflegende Cremen, Salben oder Lotionen, beispielsweise mit Harnstoff (Urea) oder Salizylsäure, die der Abschuppung dienen. Kortisonpräparate werden in Form einer Salbe, Creme oder Tinktur auf die betroffene Hautstelle angewendet. Vitamin-D3-Präparate haben ebenso eine antientzündliche Wirkung. Bei der Photo-Therapie wird die Haut mit ultraviolettem Licht bestrahlt. Meist erzielt sie rasche Erfolge, aber man kann sie nur zeitlich begrenzt einsetzen. Wenn diese Therapien nicht ausreichen, kommen Systemtherapien zum Einsatz. Dazu zählen Methotrexat, Cyclosporin oder die Fumarsäure, die Entzündungsvorgänge im Köper hemmen. Retinoide wirken regulierend auf das Wachstum und die Reifung von Hautzellen. Darüber hinaus gibt es Biologika und sogenannte kleine Moleküle mit unterschiedlichen Wirkmechanismen, die bei der Ursache der systemischen Erkrankungen ansetzen und die Entzündung unterbinden.
Was sind Biologika und wie wirken sie?
Dr. Skvara: Biologika werden in biotechnologischen Verfahren hergestellt. Sie haben die Aufgabe, natürliche Eiweißkörper, auch Proteine genannt, nachzuahmen bzw. Funktionen natürlicher Eiweißkörper zu blockieren. Sie greifen also gezielt in die Reaktionen des Körpers ein, um zum Beispiel wie im Falle einer Psoriasis, Entzündungsprozesse aufzuhalten. Biologika werden unter die Haut gespritzt bzw. injiziert oder als Infusion verabreicht. Beispiele für biologische hergestellte Arzneimittel sind z.B. Hormone, Insuline und eben auch bestimmte monoklonale Antikörper, wie sie bei der Psoriasis eingesetzt werden.
Wo setzen diese monoklonalen Antikörper an?
Dr. Skvara: Jeder Mensch bildet in einem natürlichen Prozess Antikörper. Das sind Eiweiße, die sich zum Beispiel im Blut befinden und als Reaktion beim Eindringen von Fremdstoffen wie Bakterien oder Viren entstehen. Antikörper haben also eine schützende Wirkung und dienen dem Immunsystem. Bei Immunerkrankungen kommt es zu einer Fehlsteuerung des Immunsystems. Unterschiedliche Faktoren wie Stress, eine Verletzung oder eine Infektion können diese Fehlreaktion auslösen. Aufgrund der genetischen Basis kommt es zu einer überschüssigen Reaktion der Abwehrkräfte: es werden zu viele Zellen oder Antikörper gebildet, die in Folge körpereigene Strukturen wie Gewebe oder Organe angreifen oder es kommt zur Schädigung aufgrund der andauernden Entzündungsreaktion. Psoriasis-Patienten entwickeln beispielsweise rötliche, schuppende und mitunter schmerzhafte Hautveränderungen. Monoklonale Antikörper neutralisieren oder regulieren gezielt dieses Entzündungsgeschehen indem sie entzündungsfördernde Botenstoffe, Zytokine, binden. Dazu zählen TNF-alpha und Interleukine, die bei Autoimmunologischen Erkrankungen vermehrt produziert werden. Monoklonale Antikörper sind also Eiweißkörper mit gezielter Wirksamkeit, die eine chronische Entzündung zum Stillstand bringen können.
Wofür steht in diesem Zusammenhang das Wort „monoklonal“?
Dr. Skvara: Monoklonal bedeutet, dass die Herstellung der gesamten Zelllinie aus einer gemeinsamen Mutterzelle stammt. Heute werden monoklonale Antikörper zur Behandlung von Tumoren bis hin zu chronischen Erkrankungen wie Psoriasis, rheumatoider Arthritis oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen eingesetzt.
Welche Botenstoffe fördern die Entzündung und wie werden sie gestoppt?
Dr. Skvara: Zu den entzündungsfördernden Botenstoffen zählen zum Beispiel Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF-alpha), Interleukin 17 und Interleukin 23, die bei Psoriasis überschüssig ausgeschüttet werden. Biologika blockieren gezielt diese Botenstoffe, die der Kommunikation zwischen den Zellen dienen. Demnach stehen verschiedene Therapieansätze zur Verfügung:
Der TNF-Alpha-Blocker hemmt den Entzündungsbotenstoff TNF-alpha. Dazu gehören beispielsweise die Wirkstoffe Etanercept, Infliximab, Adalimumab und Certolizumab.
Die Wirkung der Interleukine auf das Immunsystem ist sehr unterschiedlich, weshalb sie in Untergruppen unterteilt werden, die durch Zahlen gekennzeichnet sind. Der Antikörper Ustekinumab unterbindet die Aktivität der Interleukine 12 und 23. Interleukin 23 ist ein Schlüsselbotenstoff, der Entzündungsprozesse bei bestimmten autoimmunologischen Erkrankungen hervorruft und verstärkt. Zur Blockade von Interleukin 23 werden monoklonale Antikörper wie Risankizumab, Tildrakizumab oder Guselkumab eingesetzt. Weitere Präparate binden beispielsweise Interleukin 17 wie Secukinumab oder Ixekizumab bzw. den Interleukin-17-A Rezeptor wie Brodalumab. Zusammengefasst heißt das: es gibt verschiedene Therapieansätze bei Biologika und selbst in jeder Therapieklasse gibt es Unterschiede, je nachdem wo sie ansetzen und wie stark oder schwach sie binden.
Monoklonale Antikörper enden auf UMAB, ZUMAB oder XIMAB: Was bedeuten diese Endungen?
Dr. Skvara: Zunächst enden alle Wirkstoffnamen für monoklonale Antikörper mit -MAB, aus dem Englischen für monclonal antibody. Die Silbe vor -MAB weist auf den Ursprung des monoklonalen Antikörpers hin. Chimäre Antikörper enden mit -XIMAB und enthalten einen beträchtlichen Mausanteil. Humanisierte Antikörper mit der Endung -ZUMAB sind menschliche Antikörper, die nur an der Andockstelle einen Mausanteil haben. Vollkommen humane Antikörper heißen am Ende -UMAB.
Was ist generell vor Einstellung auf Biologika zu beachten?
Dr. Skvara: Vor Therapiebeginn sind Abklärungsgespräche, eine Blutabnahme und ein Tuberkulose-Screening wichtig, um das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren. Mit der Blutuntersuchung werden vor allem Blutbild, Leber-, Nieren- und Entzündungswerte kontrolliert sowie Infektionskrankheiten wie HIV und Hepatitis ausgeschlossen. Für die Einschätzung eines Tuberkulose-Risikos sind ein Lungenröntgen und ein spezieller Bluttest notwendig. Bei Frauen im gebärfähigen Alter wird ein Schwangerschaftstest empfohlen. Dermatologen überprüfen zudem den Hautstatus. Auch der Impfstatus wird abgeklärt: Ein Impfschutz (relevante Impfungen gemäß Impfplan) sollte vor Therapiebeginn vorhanden sein. Totimpfstoffe sind auch während der Biologika-Therapie möglich, jedoch dürfen keine Lebendimpfstoffe verabreicht werden. Ein Beispiel dafür ist die Schutzimpfung gegen Masern-Mumps-Röteln.
Im Gespräch mit dem Patienten werden zudem eine Reihe an Fragen behandelt wie etwa:
- Liegen Begleiterkrankungen wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder Gelenksentzündungen vor?
- Leidet der Patient auch an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weiteren Autoimmunerkrankungen wie Multipler Sklerose oder Tumorerkrankungen?
- Wie ist die Stimmungslage des Patienten?
- Leiden Patientinnen häufig an Pilzinfektionen?
All das wird bei der Nutzen-Risiko-Einschätzung für oder gegen eine Systemtherapie berücksichtigt. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient ist dafür eine zentrale Voraussetzung.
Unser Lesetipp
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Infos zum Beitrag
Autor:
Mag. Karin Meinhart
Experte:
Priv.-Doz. Dr. Hans Skvara
Quellenangabe: Interview
Stand der medizinischen Informationen: 20. Mai 2019
Letzte Aktualisierung: 12. Juli 2021